seit längerer Zeit beschäftigt mich etwas. Jetzt kann ich es endlich so langsam in Worte fassen.
Wie sind eure Erfahrungen mit dem Umfeld (Angehörige, Freunde, Psychologen, Therapeuten, Ärzte usw.) wenn ihr das Thema MB / Vergew* angesprochen habt?
Was macht das mit euch?
Mir gegenüber gab es verschiedene Reaktionen. Zuerst die häufigsten. Deswegen frage ich. Diese beschäftigen mich am meisten.
1. Das tut mir Leid.
2. Dann bist du bestimmt selbst schuld. Dann wirst du sicher was getan haben!
Zweitens brauche ich denke ich nicht sooo ausführlich machen. Täter-Opfer-Umkehr. Der/Die arme Täter/in.
Häufig: die eigene Angst. Wenn das Opfer selbst schuld ist, kann es einem selbst nicht passieren.
Aber auch: wenn der/die Schuldige (in den Köpfen das Opfer) gefunden ist, ist der Fall abgehakt und kann weggeschoben werden.
Sympathie zum Täter/in
usw.
Was mich jedoch mehr beschäftigt (seltener vorkommt als zweitens), ist 1.
"Das tut mir Leid."
Okaaaaay ???? In meinem Kopf rattert es, Rätselraten. Ganze Denkmaschinen rattern.
Warum entschuldigt sich jemand? Also jemand Außenstehendes! Psychologe/in, Therapeut/in, Lehrer/in?
Wieso?!
Dass sich eine Verwandte aufrichtig entschuldigt hat, leuchtet mir ein. Diese Person hatte mich vor Jahren irrtümlich abgewiesen. Nicht aus Bösartigkeit. Sondern unter der Manipulation der Tatperson. Wir sprechen viel darüber. Das hilft uns beiden. Das verstehe ich.
Was mich beschäftigt UND belastet: warum sagen andere, dass es "Leid tut". Als Floskel?
Zum Abwenden?
'Sch** ich will mit dem Thema nichts zu tun haben.'
'sch**, jetzt kann ich es nicht mehr ignorieren'? Tut mir Leid, erledigt, weg.
Ein Lehrer hat hinterher die Flucht ergriffen. Erst fragte er, ob er helfen könne, versprach Hilfe. Dann zack weg. Nicht mehr gegrüßt und ging in großen weiten Bögen aus dem Weg. Dabei war das noch nicht mal das MB Thema, sondern "nur" Schwierigkeiten zu Hause. Bloß nichts damit zu tun haben.
Dieses "Tut mir Leid" und Flucht habe ich schon sehr oft erlebt.
Ganz wenige Male, wo ich es der Person glaube: Ausdruck von Entsetzen. Ernst nehmen.
Nur schwierig.
Weil ich mich dann als Opfer fühle. Bemitleidet.
Mitgefühl finde ich super. Das ist verständlicherweise oft schwierig. Weil es mächtige Gefühle sind, weil es auch als Außenstehende, was auslöst.
Mitleid verfrachtet mich emotional wieder in die Opferrolle. Wo ich ja raus will. Ich will darüber sprechen können, ohne ver- / beurteilt zu werden. So wie andere über ihre Kindheit sprechen können, möchte ich nicht so tun, als wäre alles happy gewesen. Ich will mich nicht erpressbar machen. Wenn ich immer schweigen 'muss' weil andere das gedeckmantelt im Tabu halten wollen, dann fühle ich mich erpressbar. "Warte nur, wenn DAS rauskommt!!"
Ja, was denn? Dass die Tatperson böse war! Dass die Tatperson böses angetan hat! Dass ich versucht habe mich zu wehren? Dass ich das Böse nicht wollte? Dass ich einfach leben will? Jepp, auch das habe ich schon erlebt. Drohungen von anderen, mit dem Versuch mich zu erpressen.
Als Schutz der Mitwissenenden, der Tatperson. Danke - NEIN DANKE !
Ich will nicht erpresst werden und ich will nicht, dass es mir noch mal angetan wird.
Gedankensprung.
Also wenn jemand sagt "Das tut mir Leid", dann überfordert mich das.
Folgen darauf Gespräche, die auf Mitgefühl basieren, ok.
Aber es kann auch bedeuten:
bleib bloß weg. Geh weg mit dem Thema. Hau ab, damit ich mich nicht damit beschäftigen muss.
Aber auch, was mich stark triggert:
ist die Person selbst Betroffene/r?
Wurde die Person als Kind selbst so "erzogen" (gedrillt, eingetrichtert, manipuliert...). Immer entschuldigen, damit die Person lieb-Kind ist, Harmonie, keinen Ärger bekommt?
Das tut mir weh, weil mir oft von der Tatperson unterstellt wurde, selbst Täterin zu sein - mir wurde angetan, aber die arme Tatperson.....
und auch von der Reaktion mit der Erpressbarkeit.... da ist ja auch der Vorwurfe beigemengt, ich wäre die unrecht-tuende. Was ja nicht so ist. Ich hab nur kein Bock mehr Täter/innen und Mitwissende zu schützen.
Das Gefühl löst es dann wieder bei mir aus.
Ist die Person, die "tut mir Leid" sagt, selbst manipuliert worden?
Ist das nur ein Reflex?
Nimmt mich die Person wirklich ernst?
Ist ein Reflex, in Form von - ich schmeiße was gegen die Wand und zerstöre was und die Person entschuldigt sich bei mir? Weil antrainiert? Weil eigene alte Muster?
Ist es einfach Verzweiflung und Unwissenheit, Überforderung?
Dass die Person helfen möchte und überfordert ist?
Z.B. weil über das Tabu nicht gesprochen wird
weil das Tabu MB / Vergew. totgeschwiegen wurde, als die Person aufwuchs
weil es noch keine Berührungspunkte zu dem Thema gab?
Damit kann ich dann wieder umgehen. Deswegen spreche ich ja. Deswegen breche ich mein Schweigen. Um mir selbst und anderen eine Stimme zu geben, die wir nicht hatten, nicht haben durften. Dieses doppelte Schweigen sollen kotzt mich an. Täter/innen und dann noch gesellschaftlich, damit es weiter im Tabu bleiben kann und niemand sich damit befassen muss.


Wie geht es euch?
Was macht das mit euch?
Sofern ihr euch mitteilen möchtet.
Freunde haben übrigens ganz anders reagiert.
Die beste Reaktion fand ich
***ße ist dir das passiert ?!
Da war alles an Emotionen dabei, was mir geholfen hat.
Wut
Entsetzen
ernst nehmen
personenbezogen
KEINE Schuldumkehr
KEIN Verharmlosen
KEIN abwerten
...
Wut / Entsetzen über die Tat! NICHT darüber, dass ich rede! Ganz, ganz extrem wichtig für mich.