Unser 1. Vorsitzender Ingo Fock im Interview mit Focus Online am 30.04.2021

Antworten
Benutzeravatar
Petra
Administrator
Beiträge: 90
Registriert: Di 29. Sep 2020, 11:10
Wohnort: Hamburg

Unser 1. Vorsitzender Ingo Fock im Interview mit Focus Online am 30.04.2021

Beitrag von Petra » So 2. Mai 2021, 14:55

FOCUS-Online-Redakteurin Martina Bay
Freitag, 30.04.2021, 16:33

Sexueller Missbrauch: "Urteil ist ein Skandal": Experte erkennt bei Metzelder-Prozess Kernproblem deutscher Richter

Im Kinderporno-Prozess hat Ex-Fußballprofi Christoph Metzelder zehn Monate auf Bewährung bekommen. Ein Urteil, das Ingo Fock, Vorsitzender des Vereins "Gegen Missbrauch" nicht nachvollziehen kann. Im Interview mit FOCUS Online sagt er, woran es den Richtern mangelt und ob sich Opfer jemals von dem sexuellen Missbrauch erholen können.

FOCUS Online: Herr Fock, Sie sind der Vorsitzende des Opferschutzvereins "Gegen Missbrauch". Was sagen Sie zum Christoph-Metzelder-Urteil?

Ingo Fock: Ich verstehe es nicht ganz: Er hat zehn Monate auf Bewährung bekommen, ohne irgendwelche Bewährungsauflagen. Da frage ich mich, wo ist die Bestrafung? Denn er hat offenbar Missbrauchsabbildungen besessen, die schwerste Gewalt an Kindern darstellen. Für mich ist das Urteil ein Skandal, ein Promibonus. Bei einem Nicht-Promi wäre das Urteil anders ausgefallen.

War das Urteil erwartbar?

Fock: Ich bin jetzt nicht davon ausgegangen, dass Herr Metzelder ins Gefängnis kommt. Der Besitz von Kinderpornographie mündet in der Regel nicht in einer Gefängnisstrafe. Was ich mir tatsächlich erhofft hätte, ist, dass das Gericht eine entsprechende Bewährungsauflage erteilt. Ihm also einen Geldbetrag in deutlicher Höhe auferlegt, dass es auch für ihn spürbar ist. Herr Metzelder ist gerade nicht einer der ärmsten Menschen Deutschlands. Das Geld hätte er an eine Organisation weiterleiten müssen, die sich dem Schutz von Kindern und Jugendlichen verpflichtet.

Man hatte den Eindruck, dass von den Opfern im Prozess wenig die Rede war. Wie sehen Sie das?

Fock: Ja, das stimmt. Vor allem, weil Herr Metzelder sagte, dass er wüsste, welch unsägliches Leid hinter jedem dieser Fotos stecken würde. Die Bilder sind ja nicht fiktiv. Ihm war vollkommen klar, dass irgendjemand den Kindern schwerste Gewalt angetan hat. Es wundert einen schon, dass die Richterin nicht bewogen hat, ein sehr deutliches Urteil auszusprechen. Aber das zeigt mal wieder, wie wenig ausgebildet unsere Richter sind.

Was meinen Sie damit?

Fock: Der deutsche Richterbund argumentiert, eine Fortbildung würde die richterliche Unabhängigkeit gefährden. Wir fordern schon lange eine Fortbildung der Richter, nicht nur im Strafrecht, sondern auch im Familienrecht, weil sie sich auch mit dem Schicksal der Opfer auseinandersetzen müssen.

Und über Kinderpornographie im Internet muss man auch noch eines sagen: Die Kinder, deren Missbrauch über Bilder oder Videos ins Netz gelangen, haben überhaupt keine Chance das Trauma irgendwann einmal abzuschließen, weil diese Bilder oder Videos auch noch in zehn Jahren zu sehen sein werden.

Gerade im Netz werden die Täter immer gewiefter?

Fock: Da hat mich Metzelders Angabe ein bisschen verwundert, dass es sich bei den Fotos um Vorschaubilder aus frei zugänglichen Seiten gehandelt hätte. Das kann ich nicht ganz glauben. Denn wenn jemand auf Sexseiten wie Youporn geht, die frei zugänglich sind, und es gäbe dort tatsächlich Vorschaubilder von Kindern, die sexuell missbraucht worden sind, dann stellt sich mir die Frage, wo sind die weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaften, um genau das zu unterbinden?

Nun wird es eine Gesetzesverschärfung beim Kindesmissbrauch geben, dass schon einfache Fälle nicht mehr als Vergehen, sondern als Verbrechen eingestuft werden. Warum erst jetzt?

Fock: Unser Verein gehört schon langem zu denjenigen, die sich stark dafür eingesetzt haben, dass der sexuelle Missbrauch an Kindern kein Vergehens- sondern ein Verbrechenstatbestand ist. Denn bei einem Verbrechen können Taten nicht mehr einfach eingestellt werden und es wird im polizeilich erweiterten Führungszeugnis vermerkt. Das steht dort für die nächsten 20 Jahre.

Dadurch hat jemand nicht mehr die Möglichkeit, beruflich oder ehrenamtlich mit Kindern zu arbeiten. Es kann doch nicht sein, dass jeder Wohnungseinbruch oder Diebstahl ein Verbrechen ist und der sexuelle Missbrauch ein Vergehen.

Können sich Opfer von sexuellem Missbrauch jemals davon erholen?

Fock: Fakt ist: Wenn Kinder oder Jugendliche sexuelle Gewalt erfahren, ist das ein hochtraumatisches Erlebnis. Desweiteren kommt es darauf an, ob jemand gute und schnelle Hilfe bekommt. Dadurch besteht die Möglichkeit, ein normales Leben zu führen, obwohl es immer wieder Momente geben wird, in denen einen die Vergangenheit einholen wird. Man muss nicht ein Leben lang das gebrochene Opfer sein.

Was fordern Sie ?

Fock: Man sollte darüber nachdenken, den Konsumenten solcher Bilder mit dem Täter gleichzustellen. Wir reden auf der einen Seite von "Hobbysammlern", aber es gibt noch die organisierte Kriminalität, die mit so einem Schwachsinn einen Milliardenumsatz macht. Schon bei einem Konsumenten wird die Nachfrage bedient und weiteres Material produziert.

Das Konsumieren von Bildern heißt allerdings nicht, dass jemand automatisch pädophil ist, das wissen wir aus ganz vielen Studien. Es geht mehr um Erniedrigung und Machtmissbrauch.

Wie schaffen es die Behörden, nach den Opfern zu suchen und gleichzeitig ihre Identität zu schützen?

Fock: Die deutsche Polizei versucht immer, die Opfer zu ermitteln, wenn sie die Bilder haben. Auch Europol macht das sehr gut, sie zeigen nicht die Gesichter der Opfer, sondern zum Beispiel einen Schulranzen oder ein Kleidungsstück, um die Identität zu schützen.

Seit 2002 engagieren Sie sich gegen sexuellen Missbrauch, hat sich etwas mit den Jahren verändert?

Fock: Medien berichten meist, wenn es einen Skandal gibt. Das kann der Missbrauchsskandal in der Kirche sein oder ein Fall wie Staufen oder Lügde. In Deutschland erfährt ein Kind alle zwei Minuten sexuelle Gewalt, darüber berichten die Medien weniger. Der böse Mann, der aus dem Gebüsch kommt, ist der geringste Anteil.

Und es gibt noch eine andere erschreckende Zahl: Auf 14.000 Anzeigen kamen 2018 rund 2000 Verurteilungen. Auch das Bundesjustizministerium und das Bundeskriminalamt (BKA) sagen, dass auf jeden angezeigten Fall 15 bis 18 nicht angezeigte Fälle kommen. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.

https://www.focus.de/perspektiven/sexue ... 46730.html

PS: Die Staatsanwaltschaft hat jetzt im Fall Metzelder Berufung eingelegt.

Mel77
Beiträge: 47
Registriert: So 4. Okt 2020, 17:14

Re: Unser 1. Vorsitzender Ingo Fock im Interview mit Focus Online am 30.04.2021

Beitrag von Mel77 » Mo 3. Mai 2021, 07:18

Ein tolles Interview, Ingo.

Aber über das Urteil bin ich ebenfalls entsetzt.

Liebe Grüße Melanie

Antworten