Bin ich hier richtig?

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frosch32

Bin ich hier richtig?

Beitrag von frosch32 » Do 5. Jan 2023, 12:03

Hallo liebe Forumsmitglieder,

ich bin etwas verunsichert, ob ich hier reinpasse und auch weil so wenig Beiträge vorhanden sind und sich eigentlich jede/r ohne Prüfung anmelden kann, also vielleicht auch genau die Leute, vor denen wir Schutz suchen (ja ich habe die Forumsregeln vorab gelesen, aber bin dennoch verunsichert).
Warum bin ich hier gelandet? Weil es irgendwie kein Forum und keine Anlaufstelle gibt, die so richtig zu meinem Erlebnis passt. Ich habe keinen s* MB erlebt. Ich hatte eine von Gewalt geprägte Kindheit durch einen trinkenden Vater, der an seiner Sucht früh verstorben ist. Später hatte ich dann einen Stiefvater, mit dem ich mich sehr gut verstanden habe. Aber irgendwann hatte ich immer mehr das Gefühl, beobachtet zu werden, wenn ich im Badezimmer war (ich war 16). Ich habe mir immer wieder gesagt, dass ich spinne und an einem Tag habe ich dann einfach, um mir selber zu beweisen, dass ich mir das einbilde, aus dem Badezimmer durchs Schlüsselloch geguckt und genau in sein Auge gesehen. Ich habe dann all meinen Mut zusammengenommen, bin aus dem Bad gelaufen, habe mir das Telefon gegriffen und bin in mein Zimmer gerannt, wo ich mich eingeschlossen und meine Mutter auf Arbeit angerufen habe. Mein Stiefvater ist für ca. 4 Wochen rausgeflogen, dann wohnte er wieder bei uns und vier Monate später haben die beiden geheiratet (sie waren bereits verlobt als das alles passiert ist). Meine Oma hatte mir kurz vor seiner Rückkehr einen Brief geschrieben, in dem sie mir sagte, dass ich ihr sehr wichtig sei und sie will, dass es mir gut geht. Und dass, sollte meine Mutter ihm verzeihen, sie mich bitten würde, ihm auch nochmal eine Chance zu geben, da meine Mutter mit meinem Vater schon so viel Schlimmes erlebt habe und ihr Glück verdient habe. Und sollte ich mich unwohl fühlen, solle ich einfach ein Handtuch vors Schlüsselloch hängen. Das mache ich übrigens bis heute, egal wo ich bin und ich bin inzwischen 32 Jahre alt. Meinem Opa und den Eltern meines Stiefvaters wurde nie gesagt, was passiert war. Man wollte meinen Opa wegen seiner Herzprobleme nicht unnötig aufregen. Wir haben dann alle ein "normales" Leben geführt. Ich habe mein Abi gemacht, habe studiert und habe alles irgendwie hinbekommen, aber mit Mitte 20 gingen massive Darmprobleme los und in den letzten Jahren wurden Familienzusammenkünfte immer unerträglicher für mich, vor allem, wenn meine Oma solche Sachen zu meinem Stiefvater sagte wie "Hallo mein Lieblingsschwiegersohn" (sie hat nur einen Schwiegersohn) oder "wir sind so eine tolle Familie und halten immer zusammen". Ich habe dann Unterstützung bei einer Therapeutin gesucht und dann letzten Sommer endlich bei einem Treffen mit meiner Mutter (wir wohnen 700 km auseinander) sie nach 15 Jahren damit konfrontiert, wie schlecht es mir all die Jahre damit ging, dass er wieder zurück kam. Erst war sie sehr verständnisvoll, aber inzwischen wendet sich meine Familie gegen mich. Meine Oma und Mama behaupten, ich wäre all die Jahre glücklich gewesen und sie würden mich so gut kennen, sie hätten gewusst, wenn es mir schlecht gegangen wäre. Sie behaupten, ich würde aufgrund meiner ehrenamtlichen Arbeit mit Frauen und meinem Studium der Sozialen Arbeit (das mache ich jetzt neben meinem Vollzeitjob) Dinge lesen von anderen Menschen und diese auf mich beziehen. Kurzum: Sie sprechen mir meine Realität und Gefühle ab und machen mich zum Problem, weil ich den Familienfrieden störe. Außerdem sagen sie, dass ich mit 16 damals zugestimmt hätte, dass er wieder einzieht und es eine Aussprache gab. Ich kann mich nicht daran erinnern, aber vielleicht gab es die und vielleicht habe ich zugestimmt. In meinem Tagebuch von damals habe ich aber immer wieder geschrieben, wie sehr ich mich vor ihm ekel und dass niemanden interessiert, was ich möchte. Mich hat dieses Erlebnis tief erschüttert und es war die bisher schlimmste Grenzverletzung, die ich erfahren habe, vor allem, weil er wieder eingezogen ist damals. Ich habe mich die Jahre bis zu meinem Auszug sehr unsicher gefühlt und hatte Angst, dass er irgendwann weiter geht. Ich habe bis heute viele Probleme deswegen.
Nun müsst ihr mir sagen, ob ich hier überhaupt reinpasse, denn s* MB war das nicht und irgendwie habe ich Angst, dass ich mich mit meinem Eintrag lächerlich mache, weil eure Erlebnisse sicherlich um ein vielfaches schlimmer waren. Meine Familie sagt auch immer wieder, dass das eben ein "beklopptes Verhalten" von meinem Stiefvater war, aber eben keine Straftat und er wäre kein Täter. Ich sehe das ehrlich gesagt ganz anders und versuche das Geschehene einzuordnen, weil ich manchmal denke, dass ich vielleicht zu sensibel bin und andere das nicht so schlimm finden würden. Wenn ich in dieses Forum nicht passe, sagt mir das bitte ehrlich. Vielleicht habt ihr ja einen Tipp, wohin ich mich stattdessen wenden könnte. Ich bin nach wie vor in Therapie, aber über viele Dinge kann ich dort noch nicht sprechen und da ich aktuell immer mal wieder telefonisch mit meiner Familie konfrontiert bin, wäre ich einfach froh, zu lesen, wie andere damit umgehen. Oft Zweifel ich nach den Telefonaten an mir selbst und werde dann aber nach ein paar Tagen wieder sehr wütend, dass sie mich so verwirren, obwohl ich ja weiß, wie es mir all die Zeit damit ging.
Nun ist das die längste Vorstellung, die ich im Vorstellungsforum gesehen habe. :oops: Daher vielleicht noch etwas "Normales" zur Vorstellung: Ich bin 32 Jahre alt und verbringe meine Freizeit gerne mit meiner Hündin, die ich über alles liebe. Ich gehe gerne in die Berge wandern, höre viel Musik und bin allgemein ein kreativer Mensch, der Bücher liebt und Gitarre spielen lernen will. :) Ich habe auch seit fast zehn Jahren einen festen Partner, mit dem ich sehr glücklich bin. Dennoch habe ich eben auch immer wieder schlimme Phasen, in denen es mir gar nicht gut geht und vor allem auch im Alltag Probleme, die meine Beziehungen zu Menschen erschweren.

Vielen Dank, dass sich vielleicht die ein oder andere Person Zeit nimmt, diesen Roman zu lesen.

Viele Grüße,
A.

Mel77
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Re: Bin ich hier richtig?

Beitrag von Mel77 » Sa 7. Jan 2023, 08:15

Hallo Frosch32,

herzlich willkommen hier im Forum :-)

Du bist mit Deinem Beitrag hier schon richtig. Leider wird hier im Forum nur seit längerer Zeit nicht sehr viel geschrieben, daher befürchte ich, dass es mit dem Austausch wahrscheinlich nicht ganz einfach wird.

Liebe Grüße Melanie

frosch32

Re: Bin ich hier richtig?

Beitrag von frosch32 » Mo 9. Jan 2023, 08:45

Hallo Melanie,

vielen Dank für deine Antwort. Tatsächlich bin ich etwas erleichtert, dass ich zumindest nicht Fehl am Platz zu sein scheine.
Wer weiß, vielleicht tut sich ja was im Forum und es traut sich doch jemand, noch etwas zu schreiben oder an anderer Stelle einen Beitrag zu stellen.

Vielleicht mache ich es auch einfacher, indem ich diesen riesen Beitrag von mir einmal auf mein Hauptproblem runterbrachte: Wie geht ihr denn mit euren Familien um bzw. mit dem Umfeld? Ich habe keine Ahnung, wie ich das hinbekommen soll.

Liebe Grüße,
Amelie (ist ehrlich gesagt nicht mein richtiger Name, aber besser als A.) :)

unterwegs
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Re: Bin ich hier richtig?

Beitrag von unterwegs » Mi 11. Jan 2023, 10:15

Hallo Frosch,
es sind mehrere massive Grenzüberschreitungen dir angetan worden.

Die strafrechtliche Definition ist das eine. Die emotionale Schädigung ist das andere. Nur weil es (noch nicht) strafrechtlich geltend gemacht werden kann, ist es trotzdem da. Im Forum ist momentan wenig los. Allerdings gibt es vom Verein bzw. Kooperationen auch Flyer und gute Erklärungen. Ich komm grade nicht drauf, wie ich das beschreiben kann.

Was deine Familie macht, fällt bei mir unter psychische Gewalt und Manipulation.
Ich habe viele Bücher zum Thema s*MB gelesen und bei fast allen war der emotionale Missbrauch, verdrehen von Taten, verdrehen von Gefühlen / wegreden von Gefühlen ein großer Bestandteil.

Eines der ersten Bücher war "sanfter Missbrauch Das schleichende Seelengift"
An den konkreten Inhalt erinnere ich mich nicht mehr. Nur daran, dass es eines der ersten Bücher war, die ich dazu gelesen habe und weil ich auch lange dachte (weil es mir so eingeredet wurde :evil: ) "das bisschen ...."

Vorsicht, das Buch kann sehr triggern!
Ich lese NUR, wenn ich spüre, dass meine eigene Intuition grade dazu passt.

Familie:
es gibt diejenigen, die mir glauben.
und diejenigen auf die ich keinen Wert mehr lege. Wer mir Gefühle abspricht, manipuliert oder nachweisbares verdreht, mir einredet Schuld zu sein (oder behauptet ich hätte etwas wollen - was der eigentliche psychische Missbrauch ist, egal um was es geht)
der kann mich mal - von weitem nicht mehr sehen. Familie verpflichtet nicht zur Bindung. Menschen, die mich wertschätzen fordern keine Bindung ein, sondern freuen sich, wenn wir Kontakt haben OHNE mir Gefühle abzusprechen und OHNE mir was anderes einzureden.

frosch32

Re: Bin ich hier richtig?

Beitrag von frosch32 » So 15. Jan 2023, 12:19

Hallo unterwegs,

vielen Dank für deine wertschätzende Antwort. Ich werde mir das Buch einmal besorgen. Das mit den Grenzen nehme ich seit meinem Brechen des Schweigens auch an immer mehr Stellen und Situationen mit meiner Familie wahr. Ich habe mich lange gefragt, warum ich so schwer Grenzen setzen kann auch im beruflichen Kontext und privaten Umfeld. Meine Therapeutin hat es recht simpel formuliert: Ich hätte als Kind und Jugendliche Grenzen gesetzt, aber diese wurden permanent überschritten, sodass ich die Notwendigkeit nicht mehr gesehen habe und es nach und nach "verlernt" habe. Seit einem halben Jahr lerne ich es wieder und dadurch hat sich schon vieles positiv verändert.

Mir fällt es oft schwer mir einzugestehen, dass meine Familie mir so sehr geschadet hat, weil meine Mutter auch sehr viel richtig gemacht hat. Aber gerade das Gefühle verdrehen und mir einreden, dass meine Gefühle doch ganz anders gewesen sein MÜSSEN, macht mich dann wirklich verrückt. Und so habe ich den Kontakt gerade auf ein Minimum begrenzt, bin dadurch aber endgültig das schwarze Schaf der Familie und das tut weh. Vor allem finde ich es aber so unfair. Ich habe damals nichts falsch gemacht und war minderjährig. Und derjenige, der das alles zu verantworten hat, sitzt im Nest und wird geschützt. Man liest es ja immer wieder, wenn man über MB liest, dass die Dynamik häufig so sind. Wenn man dann selbst betroffen ist, ist es nicht zu begreifen.

Tatsächlich habe ich an eigener Familie nur meine Mutter und Oma. Alle anderen leben nicht mehr und das macht es besonders schwer. Weil es sich anfühlt, als wäre ich ganz ohne Familie auf der Welt. Aber ich versuche nun mehr, mich auf enge Freundschaften zu fokussieren, mich dort zu öffnen (das konnte ich all die Jahre kein bisschen) und mich an meinen Partner und meine Hündin zu halten, die meine eigentliche selbst ausgesuchte Familie sind.

Ich hoffe, dir geht es soweit gut. Vielen lieben Dank noch einmal für deine Empathie.

LG,
Amelie

unterwegs
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Re: Bin ich hier richtig?

Beitrag von unterwegs » Mi 25. Jan 2023, 08:49

habe deine Antwort gelesen
mir fehlen aus eigenen Problemen heraus momentan die passenden Worte

frosch32

Re: Bin ich hier richtig?

Beitrag von frosch32 » Do 26. Jan 2023, 08:57

Das ist in Ordnung. Ich habe gar nicht unbedingt eine weitere Antwort erwartet.
Wenn dir danach ist, darfst du natürlich gerne schreiben.
Ansonsten wünsche ich dir viel Kraft für deine aktuellen Probleme. Du bist nicht allein.

LG,
Amelie

Amy
Beiträge: 7
Registriert: Do 20. Okt 2022, 17:14

Re: Bin ich hier richtig?

Beitrag von Amy » Fr 24. Nov 2023, 19:07

Hallo Amelie,

Nach intergalaktisch langer Pause möchte ich dir gerne auch noch auf deinen Post antworten, wenn auch viel Zeit vergangen ist und meine Antwort dich vielleicht nicht mehr erreicht.

Gerade das Absprechen der eigenen Gefühle, die permanenten Grenzverletzungen und das Verharmlosen sind ja die Basis für jede weitere Form der Verletzung. Ein Gift, welches einen lähmt, dazu führt, dass man sich selbst nicht traut, die eigenen Gefühle verrät.
Wir bedauern sehr, dass du das erleben musstest und eine Kindheit/Jugend in Angst verbracht hast.

Umso schöner ist es, dass du Gutes erlebst. In der Natur, mit deiner hündischen Weggefährtin, den Büchern, Gitarre und dem Ausleben deiner Kreativität. Richtig großartig und keine Selbstverständlichkeit! :)

Zu dem möglichen Zustimmen des Einzuges deines Stiefvaters : Wir hatten uns vor dem übergriffigen Stiefvater zu unserem Vater gerettet. Lebten 1,5 Jahre getrennt von Mutter und kleiner Schwester. Durch ein Wiedersehen mit unserer Mutter im Rahmen eines extrem manipulativen Gespräches entschlossen wir zu ihr zurück zu ziehen und uns somit auch dem se*uellen Mis*brauch wieder auszusetzen (wir waren 14). Letztlich denken wir heute : Das war emotionales Kidnapping.
Unsere Mütter hätten uns beschützen sollen. Und auch wenn die Entscheidung getroffen wurde, trafen wir sie, weil es keine andere Möglichkeit gab. Wir dürfen uns das verzeihen.
Ich finde gar nicht die richtigen Worte für das, was ich dir eigentlich sagen möchte. Aber so ist das wohl bei allzu großer persönlicher Involviertheit *lach*

Wir hoffen, dass du die Chance hattest dich in der Therapie weiter zu öffnen und deine Grenzen gegenüber der Familie klar zu setzen.
Wir haben uns radikal von unserer biologischen Familie und allen, die uns weder geholfen, noch das Grauen gesehen haben, distanziert. Anfangs war das hart. Wir waren sehr einsam. Doch nun haben wir uns eine neue Familie aufgebaut, die so wunderbar, so bereichernd, liebevoll und bunt ist. Das hätten wir nie und nimmer für möglich gehalten. Unsere Familie ist stark, unbesiegbar und immer für uns da. Blut ist kein Grund, um in Kontakt zu bleiben, wenn dieser schadet.

Wir wünschen dir alles Gute ☀️
Amy.

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