Missbraucht – die Stiefkinder der Politik

Das Thema Kinderschutz wird in den aktuellen Wahlprogrammen leider wieder mehr als stiefmütterlich behandelt – wenn überhaupt. Hier unser Kommentar dazu.

 

 „Kinder sind unsere Zukunft“, diese sehr einfache, von der Politik gerne genommene Aussage, scheint allerdings nur eine Floskel zu sein, wenn man sich die aktuellen Wahlprogramme der großen demokratischen Parteien anschaut.

Dies ist umso verwunderlicher, wenn man bedenkt, dass ca. 10% aller Wahlberechtigten entweder selber als Kind sexualisierte Gewalt erfahren haben, bzw. Eltern von Kindern sind, die missbraucht wurden oder werden.

Betrachtet man alleine den volkswirtschaftlichen Schaden, den Täter und Täterinnen durch ihre ausgeübte Gewalt verursachen, kommt man auf ca. 3 Milliarden Euro alleine durch falsche, mangelhafte oder nicht vorhandene Hilfe (Traumafolgenkostenstudie, Uni Ulm 2011). 

Die Folgen für die Betroffenen: der Verlust einer gewaltfreien und unbeschwerten Kindheit und Wunden in der Seele, die allemal vernarben, aber schwerlich verheilen können. Mit dem Trauma leben zu lernen, das kann nicht durch Entschädigungszahlungen abgegolten werden, sondern bedarf dauerhafter unbürokratischer Hilfs – und Unterstützungssysteme.           

Dies alles sollte Politik eigentlich spätestens seit 2010 gelernt und verinnerlicht haben.

Die im aktuellen Koalitionsvertrag stehende Reform des Opferentschädigungsgesetzes wird von den Parteien in ihren Wahlprogrammen ebenso missachtet wie die Forderung von Betroffenenverbänden, den Straftatbestand des sexuellen Kindesmissbrauchs (§176 STGB) als Verbrechenstatbestand zu deklarieren und nicht, wie aktuell, als Vergehen. 

Die finanzielle Sicherstellung der Arbeit von Selbsthilfe und Fachberatungsstellen ist ebenso in weiter Ferne wie die flächendeckende psychotherapeutische Versorgung, fernab von Kontingentslösungen.

Der Gipfel des politischen Nichtwollens spiegelt sich auch in der Verweigerungshaltung von 13 Bundesländern wieder, nicht in den als Brückensystem geschaffenen Fonds sexuellen Missbrauch einzuzahlen.  

Daher ist es sicherlich nicht verwunderlich, dass sich die Partei Die Linke, als auch die FDP, in ihren Wahlkampfprogrammen dieses Themas überhaupt nicht annehmen; die Grünen, SPD und CDU/CSU sich mit allgemeinen Plattitüden zufriedengeben.

Damit Kinder wirklich unsere Zukunft sind, bedarf es eines gelebten politischen Willens und Umdenkens, damit es dann auch heißen kann: auch missbrauchte Kinder haben eine Zukunft.

Ingo Fock, 1. Vorsitzender


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