Aufarbeitung kann nur gelingen, wenn diese auch schmerzt

Ein Kommentar von Ingo Fock, anlässlich des 3. Öffentliches Hearing „Kirchen und ihre Verantwortung zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“

Spätestens seit dem Jahr 2010, als die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche den Medien täglich neue Einblicke in ein System gewährte, das sexuelle Gewalttaten an Kindern und Jugendliche begünstigt, wiederholen die Verantwortlichen ein mantraartiges „Mea Culpa“. Medienwirksame Aussagen, man müsse und wolle das verlorengegangene Vertrauen der Menschen zurückgewinnen, dominieren seitdem Presseerklärung um Presseerklärung.

Sicherlich – Menschen und keine Systeme missbrauchen die Ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Aber die Kirche generell legt dabei zu sehr den Augenschein auf die Person des Täters und nicht auf ihre internen Strukturen.

Der entscheidende Schritt der Erkenntnis ist wohl selbst in Rom wahrgenommen worden. Es wird aber hier genauso verweigert umzusetzen wie in der Evangelischen Kirche Deutschland.

Um von den Gesprächen mit und über Betroffenen zu partizipieren, um zu vermeiden, dass wir noch im Jahr 2030 einen erneuten Runden Tisch in Macht – und Abhängigkeitsverhältnissen etablieren, muss die Institution Kirche nicht nur an ihre Grenze gehen, sondern weit darüber hinaus.

Sie muss Hand an Ihre Strukturen legen und der kollektiven Verantwortungsamnesie genauso den Rücken kehren, wie Jahrhunderte alten Handlungs- und Denkweisen.

Bei der Katholischen Kirche steht seit dem Jahr 2001 auf dem Papier: alle mutmaßlichen Straftaten betreffend den Missbrauch Minderjähriger müssen von den Bischöfen und Ordensoberen der römischen Glaubenskongregation gemeldet werden.

Wenn dies aber geschehen wäre, und die Institution Kirche dies auch gelebt hätte, aus den Vorfällen gelernt, die Gespräche mit den Betroffenen verinnerlicht hätte, hätten viele Jungen und Mädchen das Trauma der sexualisierten Gewalt nicht erfahren müssen. So ist es der Institution Kirche zu wünschen, die Schmerzen der Aufarbeitung wirklich zu gehen, ähnlich wie Betroffene diesen schmerzlichen Weg für den Rest ihres Lebens gehen müssen.

Die Alternative hat Mahatma Gandhi genannt: „Die Geschichte lehrt die Menschen, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt.“


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